Performing Arts – Performing Future #4: Marktplatz der Möglichkeiten – Gemeinsam nachhaltig in den darstellenden Künsten
Am 17.04. luden wir gemeinsam mit unserem Partner BFDK (Bundesverband Freie Darstellende Künste e.V.) und dem Performing Arts Programm des LAFT Berlin (Landesverband freie darstellende Künste Berlin e. V.) zu einem besonderen Highlight im Rahmen des Programms „Performing Arts – Performing Future“ ein: dem „Marktplatz der Möglichkeiten“im Haus der Statistik am Alexanderplatz Berlin.
16 Initiativen aus Köln, Berlin, Dresden, Nürnberg, München und Basel, die das Prinzip „Sharing“ für die darstellenden Künste auf vielfältigste Weise vertreten, präsentierten sich am 17. April auf dem Marktplatz der Möglichkeiten im Haus der Statistik in Berlin: Es ging um Material wie Kunst- und Baustoffe, Kostüme und Upcycling- und ReUse-Ideen zum Anfassen einerseits und um Ideen für städtische und privatwirtschaftliche Raumnutzung, um Zwischen- und Kreislaufnutzung (analog wie digital), Förderpolitik und reiche künstlerische Praktiken andererseits.
Am Abend zeigte ein Podiumsgespräch zwischen Vertreter*innen aus Regierung und Opposition, Verwaltung und Theaterpraxis des Landes Berlin, dass es mehr als sinnvoll ist, JETZT praxisorientierte Initiativarbeit und politische Agenda an einem Tisch zu bringen und gemeinsam Stadtpolitik zu gestalten.
Es diskutierten Janina Benduski (Programmdirektion PAP Berlin: Performing Arts Programm Berlin), Daniela Billig (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Robbin Juhnke (CDU), Titus Laser (Senatsverwaltung für Kultur und Europa), Manuela Schmidt (DIE LINKE), Tobias Veit (Schaubühne Berlin/Deutscher Bühnenverein) sowie Muriel Nestler (AG Materielle Infrastruktur/KdFS) und Christine Ruynat (Performing for Future). Moderation: Anne Schneider.
Hier unser ausführlicher Bericht:
Alle Teilnehmenden des Marktplatzes verband eines: das Interesse und die Arbeit im Sharing-Kontext, um einen schonenden Umgang mit materiellen und humanen Ressourcen in den darstellenden Künsten voranzutreiben. Binnen vier Stunden trotzten dabei 16 freie Theater, Initiativen und Künstler:innen aus Berlin, Dresden, Köln, Nürnberg, München und Basel dem ungemütlichen Aprilwetter, stellten sich auf der Bühne Fragen zu ihren Themen und tauschten an ihren Ständen weiterführende Informationen mit Interessierten aus.
In zwei Arbeitstreffen wurde der Austausch intensiviert: Von 15:30 bis 17 Uhr saßen Vertreter:innen aus Raum-Initiativen zusammen, um den Stand der Dinge wie auch den Bedarf und die Entwicklungswünsche zu Berliner Arbeits- und Proberäumen zu beraten. Die Impulse vom Projekt PROSA/Kultur Räume Berlin, der Proberaum Plattform des PAP, der Raumkoordinationsstelle des Landesmusikrat Berlin wie auch die Arbeit im und um das Modellprojekt Haus der Statistik zeigten auf, dass dank Engagement aus Zivilgesellschaft und Kulturinitiativen auch unter dem Einfluss der Pandemie Raum für die Kultur gesichert und durch digitale Professionalisierung der Zugang zu kurz- wie auch langfristigen Raumangeboten erleichtert werden konnte.
Ein großes Potenzial wurde insbesondere durch die Koordinationsstelle des Landesmusikrates in der Mehrfachnutzung öffentlicher Räume wie Bibliotheken, Bürgersäle und Kirchen ausgemacht, aus der sich eine generelle Forderung an Stadt und Kommune formuliert, öffentliche Räume einfacher für kulturelle Mehrfachnutzung zu öffnen, wie es das Sportfördergesetz bei Sporteinrichtungen schon vorgibt. Dieser Kerngedanken der Mehrfachnutzung wird in der Planung des neuen Haus der Statistik mitunter verfolgt und mit allen betreffenden Träger:innen – insbesondere mit den einziehenden Verwaltungen der Stadt – debattiert. Generell zeichnete sich eine Forderung nach mehr Förderung für Strukturen aus, die sich der Pflege von Raum, Ausstattung und Koordination widme. Die Nutzung digitaler Tools zur Arbeitsraumsuche vereinfacht und beschleunigt zwar Vermittlungsprozesse, ersetzt aber nicht das Potenzial zur Qualitätsentwicklung räumlicher Angebote, die zur besonderen Zufriedenheit von Anbieter:innen und Nutzer:innen beiträgt. Die Kulturszene in der Hauptstadt Berlin, die sich bekanntlich einer kapitalistischen Verdichtung des Stadtkerns ausgesetzt sieht, muss sich generell in zwei Richtungen engagieren: zum Einen den Erhalt von bestehendem Kulturraum absichern und sozial wie auch wirtschaftlich komplex denken: Wem steht der Raum offen, wem bietet er Zugang zu Kultur und Kunst, wie schaffe ich Bedeutung für den Standort, für den sich eine breite Bevölkerung im Bezirk einsetzt? Zum Anderen müssen über den Tellerrand hinaus in den städtischen Randbezirken Freiräume wahrgenommen und sich der Frage gegenübergestellt werden, was es bedarf, diese Orte als attraktive Arbeits- wie auch perspektivisch Lebensräume wahrzunehmen? Auch dies wird nicht ohne (öffentliche) Förderungen möglich sein. Es braucht jetzt wie auch perspektivisch den regen Austausch und die Auseinandersetzung mit Stadt und Kommune zur Sicherung von Kulturräumen und somit eine stabile, gemeinschaftliche Lobby aus der Kultur, sich stark zu machen.
Diese Feststellung leitete in das zweite Arbeitstreffen von 17:30 Uhr bis 19 Uhr über, das sich dem existierenden Positionspapier (Entwurf) zu einem Kulturfördergesetz für die Hauptstadt Berlin widmete. An diesem Papier arbeiten verschiedene Verbände und Vereine auf Einladung des Landesmusikrats Berlin, um Unklarheiten, wie sie aktuell in der Berliner Kulturförderung existieren, abzubauen und klare Gesetzesregelungen für Kulturinstitutionen einzurichten, auf die sie sich berufen können. Grundsätzlich zielt das angestrebte Kulturfördergesetz auf die langfristige Sicherung und Weiterentwicklung der kulturellen Vielfalt Berlins und somit auf die verpflichtende Verankerung von Kultur im städtischen und Staatshaushalt ab, die darauf basierend die existenzielle und soziale Absicherung von Kunst- und Kulturschaffenden, Kulturräumen, Work-Flows, die Chance von Diversität, Parität, Inklusion und auch Nachhaltigkeit wie auch die Aufstellung von Kunst und Kultur für den Vermittlungs – und Bildungssektor ermöglichen. Im Arbeitstreffen wurde aktiv der Abschnitt G unter „Übergreifende Handlungsfelder“ ausgearbeitet, der sich der Nachhaltigkeit widmet. Aus praktischer Perspektive wurden die existierenden Punkte um den Gedanken des kollektiven Teilens – der Zugänglichkeit zu öffentlichen Fundus für Bühne, Kostüm, Technik – besprochen. Muriel Nestler leistet mit dem Kostümkollektiv e.V. dafür Pionierarbeit in Berlin und konnte insbesondere ihre Expertise teilen, aber auch bestehende Hürden skizzieren. So stellen aktuell folgend drei Faktoren die größten Hürden dar: die fehlende Förderung für eine personelle Infrastruktur zur Betreuung von Raum und Material, der fehlende Zugang zu geeigneter Lagerfläche wie auch die rechtlichen Hürden, die mit Urheberrecht und Produkthaftung das Teilen von Material – besonders seitens der über Überschüsse verfügende, subventionierten Theater – aktuell noch erschweren. Aus den Debatten ging hervor: für alles könnte es Lösungen geben – leerstehende Flächen, die sich insbesondere als Lager eignen würden, existieren in Berlin zum Beispiel am ehemaligen Tempelhofer Flughafen oder in den Kellern der Alten Münze Berlin. Konzepte für vertragliche Regelungen zwischen abgebenden Theatern und zur Wiederverwendung gewillte Künstler:innen sind absolut denkbar. Der personelle Aufbau ließe sich auch realisieren – es braucht aber das Verstehen und die Bereitschaft der Stadt, das Potenzial der Wiederverwendung und des Teilens (auch wirtschaftlich) zu erkennen und zu fördern.
Schlussfolgernd wurden zum Ende des Marktplatz der Möglichkeiten noch zu einer kulturpolitischen Runde geladen: Es diskutierten Janina Benduski (Programmdirektion PAP Berlin: Performing Arts Programm Berlin), Daniela Billig (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Robbin Juhnke (CDU), Titus Laser (Senatsverwaltung für Kultur und Europa), Manuela Schmidt (DIE LINKE), Tobias Veit (Schaubühne Berlin/Deutscher Bühnenverein) sowie Muriel Nestler (AG Materielle Infrastruktur/KdFS). Anne Schneider führte moderierend durch die Fragestellungen, was in den letzten Legislaturperioden unter der Rot-Rot-Grünen-Koalition geschaffen werden konnte, welche Erkenntnisse und Herausforderungen sich mit praktischen Pilotprojekten wie die aus dem Fonds ZERO, die die Schaubühne Berlin aktuell umsetzt, herausgestellt haben und wie sich perspektivisch die in der neuen Regierung beteiligte CDU der Themenstellung Kultur und Nachhaltigkeit widmen würde. Titus Laser, der aus dem Referat für Querschnittsthemen in der Senatsverwaltung eine Studie zur Umsetzung von Kultur und Nachhaltigkeit betreute, zeigte klare Potenziale und auch die Rückständigkeit in der Entwicklung Berlins und Deutschland auf. Aus der Debatte insgesamt konnten sich leider keine deutlichen Zusagen und Schritte zur praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeitskonzepten entnehmen lassen, da noch immer ein Mangel an Informationen der Politik vorliegt. Das Netzwerk Performing for Future versuchte in einem Impuls zu verdeutlichen, dass ihr Engagement der letzten 2,5 Jahre sich genau dieser Informationssammlung widmete und sie sich als Ansprechpartner:innen der Politik zur Verfügung stellen würde. Dementsprechend begrüße das Netzwerk ganz klar den Vorschlag Daniela Billigs, einen von ihr angedachten Green Culture-Round-Table als ThinkTank für die Stadt auch unter der neuen Rot-Schwarzen-Regierung zu installieren.
Ein paar Fotos gibt es hier: Facebook. Die Videos von den Interviews und dem Podiumsgespräch sind hier verlinkt:
Ankündigungstext:
Reduce, reuse, recycle – nachhaltiges Produzieren ist auch in den Künsten zum Schlagwort der Stunde geworden. Und doch mangelt es oft an konkreten Strategien, um Proben- und Arbeitsräume, Bühnen- und Kostümbild, Werkzeuge und andere Ressourcen besser zusammen zu nutzen. Deshalb eröffnen wir einen Ort, der genau solche Ideen im Angebot hat und laden ein zum Marktplatz der Möglichkeiten – Gemeinsam nachhaltig in den freien darstellenden Künsten am 17. April 2023 ab 13:30 Uhr im Haus der Statistik, Otto-Braun-Straße 70–72, 10178 Berlin, in deutscher Lautsprache, veranstaltet von „Performing Arts – Performing Future“ des Bundesverband Freie Darstellende Künste e.V. (BFDK), Performing Arts Programm des LAFT Berlin und dem Netzwerk Performing for Future.
Welchen Beitrag zu einem ökologisch wie auch sozial nachhaltigeren Produzieren kann die gemeinsame Nutzung von materiellen und immateriellen Ressourcen leisten? Welche Initiativen und Akteur*innen sind bereits in Berlin tätig? Wie können wir uns besser vernetzen? Gemeinsam mit dem Bundesverband Freie Darstellende Künste sowie dem Netzwerk „Performing For Future“ möchten wir das Ressourcenteilen in den freien darstellenden Künsten zum Thema machen. Ziel der Veranstaltung ist eine verstärkte Vernetzung sowie eine Diskussion über die Chancen und Herausforderungen einer gemeinsam genutzten Infrastruktur.
Eine Programmübersicht findet sich online auf: https://pap-berlin.de/de/event/gemeinsam-nachhaltig. Wir bitten um eine Anmeldung bis zum 12. April 2023 an marktplatz@pap-berlin.de. Aber auch spontane Besuche sind möglich und sehr erwünscht. Wir freuen uns auf das gemeinsame – und nachhaltige – Nachdenken und Diskutieren!
Programm
Hinweis zur Sprache und Barrierefreiheit: Die Veranstaltung findet in deutscher Lautsprache statt. Alle Veranstaltungsorte und Backstage-Bereiche sind über Rampen zugänglich. Der Ort ist durch eine Großbaustelle akustisch geprägt.
- 13:30 Uhr bis 14:30 Uhr: Offene Führung durch das Haus der Materialisierung (I)
Hier können alle Gäste einen Einblick in das Modellprojekt erhalten und auch die einzelnen Initiativen kennenlernen, die vor Ort aktiv sind. Treffpunkt ist vorn am Infopoint im Foyer des Haus der Statistik. Weitere Informationen: https://hausdermaterialisierung.org/ - 14:30 Uhr bis 15:00 Uhr: Kaffeepause
- 15:00 Uhr bis 15:30 Uhr: Eröffnung des Marktplatzes der Möglichkeiten und Präsentation der AGs und Initiativen
- 15:30 Uhr bis 19:00 Uhr: Marktplatz der Möglichkeiten, u. a. mit: Tobias Brenk (Plattform CopProg), Netzwerk Initiativen für Materialkreisläufe (IfM), Neuköllner Oper, Netzwerk Performing for Future, Produktionsbande – krass & krasser, StuFF, WHAT IF – Projektbüro für nachhaltige Kultur, Zentraldepot Dresden, 17 Ziele Camp in Ludwigsburg und verschiedenen Initiativen aus dem Haus der Materialisierung
- Im großen Saal „Otto“‘des Haus der Statistik stellen sich mehr als zehn Initiativen vor, die sich dem Gedanken einer nachhaltigen, gemeinschaftlichen Ressourcennutzung in den freien darstellenden Künsten widmen. So entsteht ein Ort zum Kennenlernen, Austauschen sowie zum gemeinsamen Nachdenken über eine bessere Vernetzung hin zu mehr Nachhaltigkeit in den Künsten.
- Zu jeder vollen Stunde (16:00 Uhr, 17:00 Uhr, 18:00 Uhr): Vorstellung der Initiativen in kurzen Live-Interviews
- 15:30 Uhr bis 17:00 Uhr: Netzwerktreffen ‚Arbeits- und Proberäume‘ (Seminarraum), u.a. mit PROSA, Kulturraum GmbH, Proberaumplattform Berlin, Berliner Netzwerk freier Projekträume und -initiativen
- Parallel zum Markttrubel laden wir nebenan im Seminarraum zum Netzwerktreffen der Akteur*innen aus dem Bereich „Arbeits- und Proberäume“ ein. Auf eine kurze Präsentation ihrer jeweiligen Arbeit folgt eine Diskussionsrunde und die Gelegenheit zu offenem Austausch.
- 17:30 Uhr bis 19:00 Uhr: Arbeitstreffen der AG Öko / Listening to Climate Change mit der AG Öko / Listening to Climate Change der Initiative für ein Berliner Kulturfördergesetz. Die AG stellt die Initiative für ein Kulturfördergesetz für Berlin und ihre Forderungen im Bereich Nachhaltigkeit vor. Zudem lädt sie zum gemeinsamen Weiterschreiben am Positionspapier der Initiative ein. Neumitglieder sind herzlich willkommen!
- 18:00 Uhr bis 20:00 Uhr: Snack-Angebot / Abendessen
- 18:30 Uhr bis 19:30 Uhr: Offene Führung durch das Haus der Materialisierung (II) (alle Informationen dazu siehe oben)
- 19:30 Uhr bis 21:00 Uhr: Abschlussdiskussion “Gemeinsam nachhaltig – wie weiter?” mit Janina Benduski (Programmdirektion Performing Arts Programm Berlin), Daniela Billig (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Robbin Juhnke (CDU), Titus Laser (Senatsverwaltung Berlin), Dr. Manuela Schmidt (DIE LINKE), Tobias Veit (Schaubühne Berlin/Bühnenverein), Muriel Nestler (AG Materielle Infrastruktur/KdFS) und weiteren Vertreter*innen der AGs und Initiativen, Moderation: Anne Schneider: Welche Perspektiven, Chancen und Herausforderungen bietet das Teilen von Ressourcen für Kunst und Kultur? Was wird dafür von Verwaltung, Politik, Stadtgesellschaft und Institutionen gefordert? Was können Verbände, was Initiativen künftig leisten? Abschließend diskutieren die geladenen Gäste aus Politik, Initiativen, Verwaltung und Verbänden zu diesen zentralen Fragen des Tages.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation von Performing Arts Programm des LAFT Berlin – Landesverband freie darstellende Künste Berlin e. V. mit dem Projekt „Performing Arts – Performing Future“ des Bundesverband Freie Darstellende Künste e.V. (BFDK) sowie dem Netzwerk Performing for Future und wird gefördert im Programm #takeheart – Netzwerk- und Strukturförderung des Fonds Darstellende Künste mit Mitteln aus Neustart Kultur der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien.