Was wären wir ohne? Wohin wir schauen, wird unser Alltag von digitalen Angeboten und Tools geprägt. Seit über 20 Jahren sind Internetfähige Endgeräte nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken: Als Kommunikationsmöglichkeit, als Informationsquelle, als Dokumentations- und Organisationstool und nicht zuletzt als neues Medium für die künstlerische Produktion. Am 09.01.2007 setzte die Firma Apple mit der Einführung des ersten iPhones den Meilenstein für die mobile Zugänglichkeit in das Worldwideweb, welches am 21.10.2008 mit der Einführung des Konkurrenzprodukt Android die Massenverbreitung des mobilen Internets voran trieb. Wo ständen wir heute ohne den Vertrieb von Werbung auf Webseiten und bei Social Media? Wie hätte sich unsere ästhetische Rezeption und Konsum entwickelt ohne die Vielzahl niederschwellig anwendbarer digitaler Programme zum Gestalten und Reproduzieren? Welche Arbeitsflexibilität haben wir gewonnen durch das Teilen von Bildern, Videos, offenen Textdokumenten und Kalendern auf Arbeitsplattformen von z.B. Google, Dropbox und Wetransfer? Wie bequem ist es doch, mit ein paar Klicks eine Auswahl an Hosen für Schauspieler X und diese eine bestimmte Requisite im Handumdrehen in Onlineshops zu ordern und direkt in die Werkstatt schicken zu lassen – kein zusätzlicher Gang in die Stadt, kein Aushändigen von Handkasse notwendig – check! Und wie wären wir sichtbar gewesen in Zeiten der Pandemie, wenn es nicht die Möglichkeit für Streamings von alten Aufführungen und Panels, Audiowalks und „ZOOM-Theater“ gegeben hätte? Nicht zuletzt ermöglichten Videokonferenzen und Messenger Dienste uns das Zusammenfinden zu einem Interessen-Netzwerk.
Doch sollten wir aufgrund all dieser vermeintlichen Vorzüge die Digitalität aus unserer nachhaltigen Betrachtung aussparen? Wie Grün ist das eigentlich, digital zu arbeiten? Katja Grohmann vom IceLab Leipzig e.V. ist Erlebnispädagogin, Teamtrainerin, Prozessbegleiterin und hat sich beim LFDS in der Medienbildung weitergebildet. Sie besuchte uns am 24.02. beim 18. digitalen Netzwerktreffen und stellte die Frage in den Raum, ob die ökologische wie auch sozial nachhaltige Transformation mit Digitalität vereinbar wäre. Ganz klar machte sie dafür Potenziale aus, aber verwies auch auf viele Faktoren, die dabei zu berücksichtigen wären. Entscheidender Dreh- und Angelpunkt ist, wie hoch und an welcher Stelle Digitalität Verbrauch und schädliches Verhalten produziert.
Auf der einen Seite steht der direkte materielle Verbrauch: Leider ist der Großteil der IT-Industrie auf Profit ausgerichtet und produziert Waren mit auffällig kurzer Haltbarkeit. Es fehlt an Ersatzteilen oder Geräte sind so verbaut, dass der Austausch von Teilen erschwert oder nicht möglich ist. Zudem werden Programme für ältere Modelle nicht langfristig aktualisiert und erfordern eine Neuanschaffung. Dies bedeutet zum Einen die Produktion von jeder Menge Elektroschrott, der aufgrund der vielen unterschiedlichen Einzelteile komplexe Recyclingverfahren verlangt, zum Anderen ruft es einen kontinuierlichen Bedarf für Seltene-Erden-Metalle auf, die vor allen Dingen im globalen Süden wie auch in China vorkommen. Beispielsweise werden die Seltene-Erden-Metalle Nydem und Cer in Smartphones zur Funktionsfähigkeit der LED-Lichttechik der Bildschirme sowie für die akustischen Elemente Lautsprecher und Mikrophone verbaut. Daraus ergibt sich also eine Abhängigkeit der (vor allem westlichen) Welt von jenen Regionen, die gleichzeitig durch kapitalistisches Konsumverhalten am meisten von den Klimaveränderungen betroffen sind.
Zum materiellen Verbrauch zählt zudem der Strom, den Elektrotechnik bedarf. Woraus wird die Energie gewonnen, die wir nutzen – ist sie fossiler Herkunft oder doch aus dem Bereich der erneuerbaren Gewinnung? Je höher unser Konsum ist, desto mehr Energie ist notwendig und so lange der Ausbau erneuerbarer Energiequellen in der Entwicklung und Diskussionen zum Ausbau feststeckt, bleibt der Bedarf an Erdgas, Erdöl und Kohle bestehen. Und damit wird das Abtragen von Landschaften und Wohnraum wie auch die Ausbreitung von Erosion fortgeführt.
Auf der anderen Seite steht ein etwas versteckter Bereich des Verbrauchs: die Produktion und Speicherung von Daten. Wir schreiben Texte und E-Mails, machen anstatt einem Foto auf Film heute fünf vom selben Motiv mit einer Digitalkamera und setzen diese noch zu lustigen Gifs zusammen. Wir hinterlegen bei diesem und jenem Online-Shop unsere persönlichen Daten – das Häkchen für den Newsletter für kommende Rabattaktionen lassen wir aus Bequemlichkeit stehen und verschieben stattdessen lästige E-Mails einfach in den Spam-Ordner. Dies ist nur eine Auswahl an Daten, die wir produzieren. Aber hast du im Bewusstsein, dass eigentlich für jedes geschossene Foto, das du mit dem Smartphone aufnimmst, noch eine Kopie als Back-Up erstellt wird? Was wird angezeigt, in welcher Größe das Bild abgespeichert wurde? Wo speicherst du eigentlich deine Bilder ab? Wusstest du, dass pro E-Mail, die du verschickst, je nach Länge und Empfängeranzahl, 0,3 bis 26g CO2 emittiert wird? Und dass die Produktion einer Plastiktüte etwa 8g CO2 erfordert? Wie viele E-Mails schreibst du – wie viele empfängst du pro Tag?
Grundlegend für die Produktion und den Bestand von Daten sind Server, die überall auf der Welt materiell existieren und Flächen beanspruchen, Schutz vor äußeren Einflüssen bedürfen, mit Strom versorgt, gewartet und gegen Hitze heruntergekühlt werden. Katja teilte mit uns Zahlen von 2020, als um die 45 Millionen Serverrechner auf der Welt existierten, die alleine 3,5% des globalen CO2 Ausstoßes verantworteten – Tendenz weiter steigend. Der Großteil dieser Serverleistung nutzen wir natürlich nicht direkt durch unser E-Mail Schreiben und Fotos schießen, sondern entfallen auf die Digital-Industrie, die durch die Big Four Google, AMAZON, Facebook/Meta und Apple angeführt wird und die sich aus unseren persönlichen Daten, die wir mehr oder minder bewusst für Werbung und angepassten Content zur Verfügung stellen, und resultierenden Konsumverhalten speist.
Dieser Ausschnitt an Beispielen zeigt allein: Die Digitalität hat Vieles in unserem privaten wie beruflichen Leben vereinfacht und in den Möglichkeiten erweitert – sie wirkt sich aber in der aktuellen Handhabe eher negativ auf unsere Umwelt aus.
Was tun? Organisationen wie der BUNDjugend – der unabhängige Jugendverband des Bund für Umweltschutz und Natur Deutschland e.V. – haben Forderungskataloge für die politische Gestaltung der Digitalisierung verfasst und versuchen, auf gesetzlicher Ebene Veränderungen zu erkämpfen.
Doch auch als Einzelperson, künstlerisches Team oder Theater kann auf eigene Initiative klimabewusst digital gearbeitet werden. Es beginnt mit Bewusstsein für Betriebszeiten der Technik und der regelmäßigen Wartung. Als Institution kann für Standorte Strom bei Öko-Anbietern angemeldet und somit der Ausbau erneuerbarer Energien gefördert werden. Bei der Anschaffung von neuer Technik lohnt der Vergleich der Produkte auf dem Markt, wie hoch deren Energieverbrauch ist, wie sie verbaut sind und ob nicht sogar über einen Refurbished-Anbieter ein Gerät ein zweites Leben bekommen könnte. Zertifikate wie der Blaue Engel, TCO und EPEAT Gold können dich bei der Recherche unterstützen.
Es spricht nichts dagegen, online Recherchen zu machen und als Team mit Clouds und Arbeitsplattformen zu agieren, doch auch hier gibt es Unterschiede je Anbieter bezüglich Serverwahl, Umgang mit privaten Daten und Engagement für die Umwelt. Es lohnt, sich zu verschiedenen Anbietern von Suchmaschinen, Clouds und Arbeitsoberflächen über die Marktführenden hinaus zu erkundigen und seinen eigenen Bedarf abzuklären – ob für dich der Umweltschutz mit Aufforstungsprojekte spannend zu unterstützen sei oder du positiven Einfluss durch geschützten Umgang mit privaten Daten bevorzugst. Die Informationsmöglichkeiten sind vielfältig zu finden, aber auch hier gilt, nicht nur auf den ersten Klick zu vertrauen, sondern genauer hinzuschauen und sich zu belesen. Möchtest du grundsätzlich weniger von Werbung und unerwünschten Content bespielt werden, solltest du für deinen Browser einen AdBlocker installieren.
Gerade beim Online-Kauf gibt es Unmengen an Kriterien, die eine Einschätzung bezüglich ökologischer und auch sozialer Nachhaltigkeit beeinflussen. Viele werben mittlerweile mit nachhaltigen Konzepten, die aber nicht über schöne Worte hinausgehen. Es lohnt sich stets, zu Beginn einer Auseinandersetzung mit einem Vertrieb einen Blick in das Impressum zu werfen, sich auf der Seite und auf anderen Seiten zu dem Anbieter zu belesen und auf vermeintliche Öko-Zertifikate zu achten. Hier empfehle sich beispielsweise die Seite siegelklarheit.de, die die jeweilige Herkunft, Aussage und Überprüfung von nachhaltigen Zertifikaten aufführt.
Wir haben uns bewusst dafür entschieden, hier keine Empfehlung für die eine oder andere Suchmaschine, Website oder Online-Anbieter zu platzieren, da wir uns als Netzwerk und Nutzer:innen selbst in der Erprobung befinden. Informationen zu der Wahl einer möglichst klimafreundlichen Domain für unsere Webseite findet ihr auf unserer Startseite. Gerne tauschen wir uns mit dir bei Interesse weiter über dieses weite Thema aus.
Mit dem Projekt „updating your future….. ERROR“ erstellte das IceLab Leipzig e.V. ein Pad, auf dem es verschiedene Informationen zu Digitalität und ökologischer Nachhaltigkeit gesammelt hat und das dir als Start auf der Suche nach passenden Online- und Digital Produkten dienen könnte.
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